Kreative Auseinandersetzung mit dem Mythos von Niobe: Einblicke aus dem Lateinunterricht der Klasse 9a
Im Lateinunterricht der Klasse 9a von Frau Jost haben die Jugendlichen den spannenden Mythos von Niobe erkundet, der von ihrer übertriebenen Eitelkeit und dem tragischen Verlust ihrer Kinder handelt. Nachdem sie Teile der Geschichte vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt hatten, versetzten sich die angehenden Lateiner*innen in verschiedene Perspektiven, um die emotionalen Aspekte dieser Sage besser zu verstehen. Dabei entstanden eindrucksvolle Monologe und Reden, die nicht nur ein tiefes Verständnis des Mythos zeigen, sondern auch die Fähigkeit der Jugendlichen, sich in die komplexen Emotionen und Konflikte der Charaktere hineinzuversetzen. Eine Auswahl findet sich weiter unten:
Der Preis der Eitelkeit: Niobes verzweifelter Monolog
„Was habe ich nur getan? Alle, die mir wichtig sind, sind von mir gegangen. Meine 14 Kinder, meine sieben Söhne und meine sieben Töchter! Mein Mann Amphion, der König von Theben und Vater meiner lieben Kinder!
Es hat doch alles so harmlos begonnen… Vor einer Woche war doch noch alles gut. Ich hatte doch nur die Opfer für Latona kritisiert. Sie hat nämlich welche bekommen, obwohl sie doch nur zwei Kinder hat. Warum wird sie so groß und mächtig eingeschätzt? Ich hätte diesen Ruhm mehr verdient, denn ich habe ja 14 Kinder! Aber nein, ich hatte 14 Kinder!
Jetzt fange ich schon wieder an, mich zu beschweren. Wieso lerne ich nicht dazu? Ich war doch so glücklich, nur noch dieser Ruhm und diese Ehre, dann wäre ich unschlagbar gewesen.
Ach, Latona scheint so perfekt. Warum wurde sie von Jupiter ausgewählt und nicht ich? An jenem Tage, als Latona warnend gesagt hat: „Geht gegen jene Frau hart vor und macht diese unglücklich.“, hätte ich es wissen müssen…
Und das alles, weil ich sie ausgelacht habe. Wäre ich nicht so überheblich gewesen, hätte ich nicht alle, die mir wichtig sind, verloren. Und jetzt schlägt meine letzte Minute. Ich bin ein gottloser und grausamer Mensch! Nun werde ich von Apollo und Diana bestraft. Was wird mit mir passieren? Es wird mein Ende sein. Aber es ist mir egal…“
Maryam G.
Die Anklage einer Tochter (I)
Liebe Mutter Niobe,
ich, deine eigene Tochter, die du nicht beschützt hast, die du nicht beschützen wolltest bzw. willst, möchte dir mit dieser Rede ihre letzten Worte übermitteln. Deine Tochter, die aufgrund deiner Überheblichkeit bestraft werden muss, hofft, dass du in Reue leben wirst. Meine Mutter, die mich zur Welt gebracht hat, hat mich verraten, mich im Stich gelassen. Du sollst dein Leben lang mit dieser Reue, mit diesen Schuldgefühlen, leben.
Hättest du einfach ‘mal den Schnabel gehalten und dir die Überheblichkeit oder das Prahlen erspart. Fragst du dich je, ob du eine gute Person bist? Anstatt zu prahlen, hättest du Zeit mit uns, deinen Kindern, verbringen können. Was hat dir all dieses Prahlen gebracht? Du als Mutter hättest für deine Kinder da sein sollen. Du hattest kein Recht, so egoistisch zu handeln. Du kennst deinen Platz und du wusstest, dass du nicht zu ihnen [den Göttern] gehören wirst. Latona hat dich zu Recht kritisiert und dir deinen Platz gezeigt. Aufgrund deiner Taten muss ich jetzt leiden.
Ich wünschte, meine Mutter wäre nicht so egoistisch, so wie du es tatsächlich bist, Niobe. Wenn ich dich überhaupt noch meine Mutter nennen mag…
Linda T.
Die Anklage einer Tochter (II)
Pfeile waren auf ihren Kopf gerichtet und ihre letzten Minuten waren gezählt. Ihre Mutter, Niobe, stand ein paar Meter weiter von ihr entfernt und schaute mit Tränen in den Augen zu:
„Dürfte ich noch ein paar Worte an meine Mutter richten, bevor ihr mir mein Leben nehmt?“, fragte Ella, die letzte noch lebende Tochter der Niobe. Latona erlaubte es. Sie drehte sich daraufhin zu ihrer Mutter, die sie verwirrt anschaute. Ella fing an zu reden:
„Und, Mutter? Waren diese Worte es dir wert? Waren sie es dir wert, deine eigenen Kinder zu verlieren? Die Kinder, die du ‚eigentlich‘ beschützen solltest. Die Kinder, die dir irgendwann Enkelkinder auf die Welt gebracht hätten. Die Kinder, die dich geliebt haben und immer zu dir standen. Ich hoffe für dich, dass es dir wert war, uns zu verlieren.
Nicht nur ich leide unter deiner Überheblichkeit. Meine 13 anderen Geschwister, die genauso unschuldig waren wie ich, leiden genauso darunter. Du warst nie eine gute Mutter für uns. Du hast dich selten für uns und unsere Bedürfnisse interessiert. Als wäre dies aber nicht schlimm genug, schaust du uns jetzt zu, wie wir sterben müssen (bzw. schon gestorben sind) – wegen dir. Ja, und du hast sogar Latona noch selbst nach dem Tod deiner sieben Söhne voller Überheblichkeit verhöhnt!
Das Leid, das du uns angetan hast, das wird eines Tages auch dich ereilen! Deine Strafe kriegst du auch noch, Mutter! Wenn es eines gibt, was meine Geschwister und ich uns von dir gewünscht hätten, dann wäre es, dass du dich ändertest. Nicht für uns, denn dafür ist es eh zu spät.
Ändere dich für deine Mitmenschen, für die Götter, für dich selbst! Deine überhebliche Art wird dich nie weiterbringen im Leben. Lebe wohl, Mutter!“
Und mit diesen Worten hauchte sie ihr Leben aus…
Dizar H.
Apollos Zwiesprache: Der Konflikt zwischen Pflicht und Mitgefühl
Apollo: „Mutter! Ich habe bereits sieben Söhne der Niobe getötet. Sie haben durch meine Pfeile gelitten und sagten diese letzten Worte vor ihrem Tod: „Ich bin unschuldig. Warum werde ich bestraft?“
Über diese Worte habe ich lange nachgedacht: Ich weiß, dass Niobe dich kritisiert und beleidigt hat, doch ihre Kinder waren tatsächlich unschuldig.
Warum sollte ich nicht einfach Niobe töten? Warum sollten ihre Kinder leiden und bestraft werden? Ich verehre und liebe dich, Mutter, aber dieser Befehl war grausam gewesen. Du weißt doch, wo dein Platz ist. Du weißt doch, dass du besser als Niobe bist. Also, warum dieser Befehl, ihre Kinder zu töten? Wäre die Situtaion andersherum gewesen, so dass Diana und ich getötet worden wären, könntest du dir dann noch ein Leben ohne uns vorstellen? Anstelle ihrer Kinder hättest du Niobe persönlich töten können, da du mächtiger und stärker als sie bist. Niobe wird aus Trauer und Leid sterben für ihre Überheblichkeit. Doch ihre Kinder waren nicht verbrecherisch oder egoistisch. Sie lebten ein normales Leben wie wir und waren nicht an den Taten der Niobe beteiligt. Ich denke sogar, dass ihre Kinder ihr egal waren und sie nur den Ruhm und die Ehre brauchte. Du hast nun bekommen, was du wolltest, da meine Schwester Diana und ich deine Befehle immer befolgen werden.
Mein Herz und mein Kopf sagen mir jedoch, dass diese Tat, dieses Verbrechen, falsch war! Ich werde dich trotzdem lieben und verehren, da du meine Mutter bist. Aber diese Tat werde ich mir selber nie mehr verzeihen können.“
Maya M.
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